Gefallen und auferstanden
Karfreitag – 15. April 2022
Mensch: Kreuze werden auch nicht schöner, wenn die Sonne drauf scheint und der Himmel darüber blau wird. Mir ist in diesen Tagen beim Hören der Nachrichten über die Massengräber in den Kriegsgebieten der Ukraine eingefallen, dass mein Großvater irgendwo in der Nähe eines Bahnknotenpunktes in Weißrussland gefallen ist. So stand es in der lapidaren Mitteilung der Wehrmacht an meine Großmutter.
Gott: Möglicher Weise liegt er dort in einem Massengrab deutscher Soldaten. Ein Kreuz mit seinem Namen wird es wohl nicht geben.
Mensch: Wie muss es für meine Oma gewesen sein, als diese Mitteilung sie erreichte. Darüber haben wir nie gesprochen. Ich war achtzehn Jahre alt, als sie gestorben ist. Das war alles so weit weg und gehörte einer Vergangenheit an, die so wenig mit der aktuellen Realität zu tun hatte...
Gott: Jetzt sind Krieg und Massengrab plötzlich wieder real, weil sie ein paar Kilometer näher sind als sonst.
Mensch: Ja, eigentlich war der Krieg ja immer schon, auch vor dem Beginn des Angriffskrieges in der Ukraine. Der Gedanke erschreckt mich, dass ich fähig war, die kriegerische Zerstörung in Grosny, in Aleppo und auch im Jemen nicht so wichtig zu nehmen.
Gott: Das war einfach weit genug weg und hat die Preise nicht nach oben getrieben und keine Lieferengpässe verursacht...
Mensch: Muss es erst mir selbst weh tun, bevor Krieg mich betroffen macht und zum Handeln antreibt?
Gott: Dieses Örtchen an der Mosel gedenkt jedenfalls seiner im zweiten Weltkrieg gefallenen Toten. Über den Kreuzen steht die Statue des Heiligen Georg, der kraftvoll und entschlossen den Drachen bezwingt und auf einem Grabstein inmitten der Soldatengräber zeigt sich der gekreuzigte Jesus mit dem offenen weißen Herzensfleck. Das Bild hat mich sehr berührt. Es drückt für mich irgendwie diese große Nähe in einer Leidensgemeinschaft aus, wie ich den grausamen Tod Jesu am Kreuz versuche einzuordnen.
Mensch: Bis zur letzten Konsequenz hat er mit dem Mensch-Sein ernst gemacht und sich so tödlich verletzlich gemacht. Aber irgendwie gehört er mit seinem offenen Herzen da auch hin zu diesen ganzen mit Gewalt jäh abgebrochenen Soldatenleben. Es macht einen Unterschied, als wenn da nur Kreuze mit Namen der Gefallenen stehen würden. Und zusammen mit Sonnenstrahlen, klarer Luft und lebendigen Blumen verändert sich etwas beim Betrachten in mir.
Gott: Und das wäre?
Mensch: Der Trauernde, der auf diesen Friedhof kommt, kommt nicht umhin, auch den Bezwinger des Todes anzuschauen. Dem auf dem Kreuz festgenagelten und doch nahezu mit dem schweren Kreuz abhebenden Jesus kann sein Blick kaum ausweichen und wenn er den Kopf noch höher hebt, dann fällt sein Blick auf die übermannsgroße Figur des Heiligen Georg, der gerade den bösen Drachen besiegt! Und das alles in mitten der Gefallenen des Dorfes!
Gott: Die schon auferstanden sind! Ein Friedhof mit Hoffnungscharakter!